Über Jutta Obenhubers Fadenarbeiten
von Regina Liebermann
Vieles sieht aus der Ferne und von oben betrachtet ganz anders aus. Manches auf dieser Erde ist schon aus der Luftperspektive fotografiert, gemalt oder gefilmt worden. In Koyaanisqatsi, einem Experimental-Film aus den 80er Jahren, geht es um diese Welt aus einer anderen Sicht. Naturschauspiele. Aufgenommen aus der Ferne oder ganz aus der Nähe. Gesteinsformationen. Wolkengebirge. Ozeanwellen. Feuersbrunst. Und dann: riesige, monumentale, doch verlassene Architektur. Produktberge. Strömende Menschenmassen.
Jenseits des Heldenepos
All diese Sequenzen hat Regisseur Godfrey Reggio in Zeitlupe oder auch im Zeitraffer hintereinander montiert. Nur die Musik von Phillip Glass begleitet den Film. Reggio verzichtet auf viel. Keine Dialoge. Keine Tonspur. Keine Heldenreise. Mit auf die Reise nehmen uns allerdings die großen Versorgungsadern Amerikas: verstopfte Highways, Datenautobahnen, Versorgungsleitungen der Stromindustrie, Streckennetze.
Lange Strecken
Drei große, farbige Stränge ziehen sich durch die sandfarbene Ebene. Blau. Rot. Gelb. Schnurgerade gezogen überwinden sie eine lange Strecke. Es ist nichts zu sehen auf dieser Strecke, außer Weite, fast Ödnis. Die Distanz ist zu überwinden, wobei wir nicht erfahren, welche Distanz. Woher, wohin geht der Weg? Wir sehen nur einen Ausschnitt, eine Momentaufnahme der Strecke, die aus der Fläche herausführt. Die Farbstränge führen noch ein Stück über die Weite hinaus – so viel ist zu erkennen.
Schaut man genauer hin, kann man sehen, dass die Künstlerin der gewebten Leinwand fast alle Querfäden entnommen hat. Was zunächst entsteht ist ein fragiles Gewebe. Durch das Einziehen von neuen Fäden wird die Struktur an einigen Stellen verändert, das Ganze wieder stabilisiert.
Nein, die Leinwand wird nicht bemalt. Jutta Obenhuber beschränkt sich auf das Einfädeln weiterer, vertikal verlaufender, Fäden. Diesmal Rot, Blau, Gelb. Über die Unterkante des Bildrahmens hinaus hängen die Fadenstränge frei herunter.
Ist das Malerei?
Sind die jetzigen Fadenbilder eine Abkehr von der bisherigen Arbeit? „Teile der Pinselstriche verschwinden, gehen verloren, andere kommen unerwartet an die Oberfläche…“, schreibt Obenhuber einmal in einem Brief. Dies trifft auf die Pinselstriche in ihren Ölbilder ebenso zu, wie im übertragenen Sinne auf ihre Fadenarbeiten.
Sucht man nach einem Markenzeichen, nach einer Konstante in der Kunst von Jutta Obenhuber, so finden sich Merkmale wie Farbe, Struktur, Tiefe, Bewegung, Transparenz. Und Leichtigkeit. Das heißt nicht, dass sie es sich leicht macht. So hat sie sich in den verschiedenen Arbeitsperioden mit Materialien wie Aluminium, Lack, Ölfarbe, Leinwand oder Fäden ihren eigenen Stil erarbeitet. Dies ist Mut zur Entscheidung. Es gehört Mut dazu, weg zu lassen. Nicht alles vorzugeben. Damit Neues entsteht.
Neue Arbeiten von Jutta Obenhuber und Ildefons Höyng sehen Sie ab 3. Mai 2013 in der Galerie Sylvia Bernhardt zu Gast bei Wort-Art in Wiesbaden, Rheinstr. 108/Eingang Kaiser Friedrich Ring.
Sind sie neugierig, was Dr. Burkhard Brunn, Kunstsammler und Mäzen, über die Arbeiten von Jutta Obenhuber sagt? Mehr erfahren Sie am 3. Mai zur Vernissage.
Posted on April 28, 2013
0