Von Regina Liebermann
Was haben Andy Warhols 100 Campell´s Soup Cans und die überlebensgroße Mädchenfigur namens Ghost von Ron Mueck aus dem Jahr 1998 miteinander gemeinsam? Was verbindet die Meisterwerke von Marcel Duchamp, wie das Fresh Widow, im Jahre 1920 entstanden, mit On Kawaras Werk One Million Years aus 1999? Und wie kommen eine alte Reportagefotografie von Paul Almásy mit Claes Oldenburgs Soft Typewriter aus dem Jahr 1963 zusammen? Wenn Sie ein wenig nachdenken, fallen Ihnen möglicherweise einige Verbindungen und Lösungen ein. Eine mögliche Lösung wäre: Man erzählt eine Geschichte. Die Geschichte vom Verschwinden der Kunst.
Die Idee vom Verschwinden der Kunst
In dieser Geschichte beschäftigen wir uns gerade mit der Märzausgabe eines Kunstmagazins des Jahres 2052. Es geht um Kunst aus drei europäischen Museen, dem Museum für Moderne Kunst in Frankfurt, dem Centre Pompidou und der Tate. Wir schreiben also das Jahr 2052, sind 36 Jahre in die Zukunft gereist und finden dort die Kunst und Museen, entweder schon zerstört oder von der Auslöschung bedroht. So wie in dem Roman Fahrenheit 451 des Autors Ray Bradbury. In seinem 1953 erschienenen Roman ist die Welt eine Welt ohne Bücher. Die Literatur steht kurz vor der totalen Vernichtung, nur Rebellen , sogenannte Büchermenschen, können die Geschichten durch Auswendiglernen vor der Vernichtung bewahren.
Das Konzept der Ausstellungsmacher ist also die Idee der Limitierung: Wenn etwas rar ist, womöglich seine Verfügbarkeit auf eine einzige Ausstellung, auf ein paar Minuten beschränkt, ist die Aufmerksamkeit dann eine andere? Wie prägen sich Menschen Kunstwerke ein? Welches der Werke wird durch behalten, einprägen, kopieren überdauern? Welches wird verschwinden?
Die Idee vom Bewahren der Kunst
In eine Kiste oder Schachtel (Boîte) steckte 1963 Marcel Duchamp immerhin fast siebzig seiner Werke in Miniformat, kunstvoll gefaltet, ein Museum für die Westentasche. Dass die Kunst bewahrt werden soll, fanden also auch einzelne Künstler selbst, die Ausstellung ist voll davon: Zum Beispiel Robert Fillious The Frozen Exhibition von 1972. Tatsächlich fror der Künstler die auf Fotos festgehaltenen Kunstwerke ein. Das imaginäre Museum, so der Titel der Ausstellung verweist auf das Musée imaginaire des französischen Schriftstellers und Politikers André Malraux der im letzten Jahrhundert lebte und die These vertrat, dass sich jeder durch die fotografische Reproduktion von Werken sein persönliches Museum zusammenstellen könne . Das imaginäre Museum schaffe so eine Kunst der Fiktion, in der die Wirklichkeit wie in Romanen von der Fantasie abhängig ist.
Die Idee vom Erzählen
Erzählt nicht jedes Bildnis, jedes Kunstwerk, jede Installation eine Geschichte? Aber darüber hinaus, was verbindet Kunstwerke aus der ganzen Welt, entstanden in einem Zeitraum von fast einem Jahrhundert? Die Ausstellungsmacher verlassen sich wiederum auf die Kraft des Erzählens: Auslöschung, Die Vermessung der Welt, Die Verwandlung, insgesamt neun thematische Kapitel hat die Ausstellung und jedes trägt den Titel eines bekannten Romans. Und so finden sich Sigmar Polkes Pasadena von 1968, die Nürnberger Orgie Thomas Bayerles von 1966 und Martin Kippenbergers 1985 entstandenes The Modern House of Believing or Not im Kapitel die Unendliche Geschichte wieder.
Die Ausstellung Das imaginäre Museum wurde gerade in der Tate, Liverpool gezeigt und ist vom 24.3. bis 4.9. 2016 im MMK 2, Museum für Moderne Kunst Frankfurt, zu sehen. Danach geht es weiter nach Frankreich, ins Centre Pompidou, Metz. Weitere Infos unter www.mmk-frankfurt.de
Fotos: Sylvia Bernhardt
Redaktion: Sylvia Bernhardt, Regina Liebermann
Posted on April 2, 2016
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