Mein Freund, der Highway

Posted on Dezember 9, 2016

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Amerika gesehen aus der Dylan-Perspektive

Text und Fotos von Regina Liebermann

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Bob Dylan, Endless Highway, Ausstellungsansicht The Beaten Path

Auch wenn der frisch gekürte Literaturnobelpreisträger Bob Dylan nicht persönlich nach Stockholm kommen wird, um die Ehrung entgegen zu nehmen, bleiben dem Publikum doch über 600 Songs, die Dylan insgesamt geschrieben hat. Wem das nicht reicht, kann noch einen Kurztrip nach London machen und seine aktuelle Ausstellung in der New Bond Street besuchen. Dort zeigt die Halcyon Gallery noch bis Sonntag die neuesten Arbeiten des Künstlers. Unter dem Titel Bob Dylan. The Beaten Path werden Zeichnungen, Aquarelle und teilweise großformatige Acrylarbeiten ausgestellt, die das alte, fast schon untergegangene Amerika, wieder aufleben lassen. Wir haben uns dort einmal umgeschaut.

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Ausstellungsansichten, Bob Dylan. The Beaten Path

Dylan der Folkmusiker, Dylan der Sänger- und Songschreiber, Dylan der Poet, der Jokerman, die Spottdrossel, der Protestsänger, der Heilsbringer und der Verräter der Folkmusik, Dylan der Rockstar und Entertainer und Dylan der bildende Künstler. Seine früheren Bilder sind wenig beachtet, und von Kunstkritikern in den Medien eher unter dem Kapitel wenn Rockstars malen abgehakt worden. Dylan liefert mit seinen neueren Bildern, unter dem Titel The Beaten Path, weit mehr ab als gekonnt in Szene gesetzte Amateurbilder. Und auch wenn er nunmehr als über fünfundsiebzigjähriger nicht auch noch die bildende Kunst revolutionieren will, bedeutet dies nicht, dass seine Bilder keine Bedeutung haben.

Sie erzählen eine Amerikanischen Reise. Der Blick aus dem Tourbus während der Fahrt auf der legendären Route 66. Man stellt sich gerne vor wie Dylan unterwegs ist; schließlich gibt es unzählige Bilder von ihm auf Reisen, in Taxis, unterwegs zum nächsten Auftritt und es gibt den alten Song Route 66 (aus dem Jahr 1946 von Bobby Troup). Wohl kein Zufall das Stationen wie der Ort Kingman (Arizona) aus dem Song in Dylans Bildern wiederzufinden sind. Und da ist auch noch der berühmte U.S. Highway 61– sein Highway 61 Revisited gilt als eines seiner wichtigsten Alben. Der Highway 61 selbst, so wird immer wieder erzählt, verbindet Dylans Geburtsstadt Duluth mit den wichtigsten Blues-Metropolen des Südens, wie St. Louis, Memphis oder New Orleans. Der Highway 61 erstreckte sich damals an den Geburts- und Lebensorten wichtiger und berühmter Blues-Musiker (Muddy Waters) und Elvis Presley wurde in Memphis zum King of Rock ´n  Roll. All diese Musiker hatten einen großen musikalischen Einfluss auf Dylan.

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Bilder wie Schnappschüsse auf dem Weg zum nächsten Gig. Und was machen Menschen mit Schnappschüssen? Sie zeigen sie ihren Freunden um zu sagen schau mal: da war ich und das ist mir wichtig. Und genau so funktioniert es. Die Guten bleiben übrig, die anderen werden nicht gezeigt. Sie sind immer persönlich, auch im Falle von Fotos.

Dylans gezeichnete und gemalte Schnappschüsse bilden einerseits präzise heute existierende Orte ab und ermöglichen andererseits ein Amerika zu erleben, das es so nicht mehr im Zusammenhang gibt. Seine Bilder widersprechen der modernen Welt, sagt Dylan in einer Beschreibung. „Staying out of the mainstream and traveling the back roads, free-born style. I believe that the key to the future is in the remnants of the past.”

Einige seiner Blicke auf Amerika mögen aus den letzten zwei Jahrzehnten entstammen, seine „Never ending Tour“ dauert genau so lange an. Rund hundert Konzerte gibt er in jedem Jahr. Und doch sehen die Orte seine Bilder wie Schauplätze eines frühen Farbfilms aus. Die Farbgebung erinnert uns an die Fotographien von William Egglestone aus den 70iger Jahren. Um alltägliche Gegenstände in seinen Bildern farblich zu inszenieren, verwendete er eine aufwendige Drucktechnik.

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Bob Dylan lässt beim Malen bewusst Anzeichen der hochmodernen technisierten oder gar digitalisierten Welt aus, seelenlose moderne Firmenhochhäuser kommen in seiner Bildsprache nicht vor.

In einem sehr langen und ausführlichen Interview unter dem Titel Abschied von Gestern, das Dylan 2012 Mikal Gilmore vom Rolling Stone Magazine gab, sagte er auf die Vermutung Man hat fast den Eindruck, als könnten Sie die Sechziger nicht ausstehen?

Dylan: Die Fünfziger waren eine einfachere Zeit, zumindest für mich und meine damaligen Umstände. Ich habe nicht viel von dem mitbekommen, was Gleichaltrige in den größeren Städten erlebten. Dort, wo ich aufwuchs, war man von den kulturellen Zentren so weit entfernt, wie man es sich nur vorstellen konnte. Es war jenseits aller eingetretenen Pfade.

Und trotzdem hatte man die ganze Stadt für sich – und Gefühle wie Trauer, Angst oder Unsicherheit schienen nicht zu existieren. Es gab nur Wälder, den Himmel, Flüsse, Winter und Sommer, Frühling und Herbst. Den Wechsel der Jahreszeiten. Und das kulturelle Angebot bestand hauptsächlich aus Zirkus und Jahrmärkten, aus Wanderpredigern und todesmutigen Piloten, Hillbilly-Shows, Komikern und Big Bands. Und es gab natürlich die einflussreichen Radiostationen mit ihren unvergesslichen Shows. Es war noch die Zeit vor den Supermärk­ten, Einkaufszentren, Multiplex-Kinos, Baumärkten und was weiß ich nicht. Es war einfach eine einfachere Zeit. Und wenn man so aufwächst, lebt es in dir weiter. Es war wohl Ende der Fünfziger, als ich wegzog, aber ich hatte in dieser Zeit so viele Dinge gesehen und kennengelernt, dass ich mich heute noch mit ihnen verbunden fühle. Sie sind wohl letztlich das, was ich bin.

Und so sind es auch die Amerikanischen Landschaften und Straßen des mittleren Amerikas, jenes der Mittel- und Kleinstädte, welches Dylan auf die Leinwand bringt. Vieles sieht noch nahezu unberührt von Jahrtausendwende oder gar digitaler Globalisierung.

In all den Bildern mit dem Thema on the Road (Banderas, Texas, welches die Perspektive während des Autofahrens einnimmt oder auch Thunderbolt, Coney Island) sind keine oder kaum Menschen zu sehen. Doch anders als bei dem großen amerikanischen Maler Edward Hopper ist Dylans Einsamkeit jene Einsamkeit, die gleichsam Freiheit ist. Das ist eine Grundbedingung auf Reisen. Niemals sonst sind wir so allein, wie auf der Reise, on the road, wir sind noch unterwegs und nur stiller Beobachter, noch nicht angekommen und noch alles- in -einem. Unterwegs zu einem fremden Ort gehören wir nur uns selbst.

Bob Dylan. The Beaten Path. 5. November bis 11. Dezember 2016 in der Halcyon Gallery, New Bond Street , London