Frühe Richter Bilder in Wiesbaden/Von Regina Liebermann
Noch bis zum 17. Juni sind mehr als 35 Werke Gerhard Richters im Museum Wiesbaden zu sehen, die einen sehr wesentlichen Einblick in sein Schaffen ermöglichen
Richters Vorhänge, entstanden in den 60er Jahren des letzten Jahrhunderts, brechen mit einem der klassischen Muster in der Malerei: Die Welt kann, quasi wie auf einer Theaterbühne präsentiert, durch die Malerei dargestellt, ja enthüllt werden. Der Maler öffnet den Vorhang und zeigt dem Publikum ein Stück Realität. Bei Jan Vermeer war es im 17. Jahrhundert der Blick in ein prächtig ausgestattetes Maleratelier, samt Modell und Maler.
Große Erwartungen
Bei Richter kann ein geschlossener Vorhang, so noch ein Stückchen Boden zu sehen ist (wie im Bild Vorhang, 1965), einerseits große Erwartungen wecken. Was mag wohl dahinter vorgehen? Andererseits bildet der Vorhang die undurchdringliche Grenze zwischen Betrachter und Leinwand. Oder zwischen Publikum und Malerei (Großer Vorhang, 1967)?
„Die Türen, Vorhänge, Oberflächenbilder, Scheiben usw. sind vielleicht Gleichnisse einer Verzweiflung über das Dilemma, dass zwar unser Sehen uns die Dinge erkennen lässt, dass es aber gleichzeitig die Erkenntnis der Wirklichkeit begrenzt und partiell unmöglich macht.“ Gerhard Richter, 1971
Richter arbeitete sich durch die traditionellen Malgenres zu jener Zeit, da Pop-art oder Abstraktes angesagt war. Doch seine Stillleben, Landschaften, Seestücke oder Porträts wirken heute erstaunlich frisch. Das Gegenteil von verstaubt. Durch den Effekt des Verwischens erscheinen Personen oder Landschaften wie hinter einem Schleier. Sie bleiben dem Betrachter etwas geheimnisvoll, manchmal romantisch oder unerreichbar.
„Ich habe in einem unscharfen Bild noch nie etwas vermisst. Im Gegenteil, man sieht viel mehr darin als in einem scharfen Bild. Eine mit Genauigkeit gemalte Landschaft zwingt uns, eine bestimmte Anzahl deutlich unterscheidbarer Bäume zu sehen, während man in einer unscharfen Landschaft eine beliebige Anzahl von Bäumen erkennen kann. Das Bild ist offener.“ Gerhard Richter 1973
Posted on Juni 4, 2018
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