Im Westen nichts Neues und der Osten ist auch nicht mehr das was er mal war

Posted on Oktober 1, 2019

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Notizen zur Ausstellung Jetzt! Junge Malerei in Deutschland

Jörg Dauer, Museum Wiesbaden, einer der sieben Kuratoren in der Ausstellung

von Regina Liebermann

Drei deutsche Museen: Bonn, Chemnitz und Wiesbaden stellen jüngere Maler in Deutschland aus und versuchen damit einen Einblick, vielleicht auch einen Überblick zu bieten. Das die von den Ausstellungsmachern gesetzte Limitierung mithilfe der Parameter Lebensalter und Arbeitsmittelpunkt Deutschland anschließend bemeckert werden würde, dürfte den Museumsleuten vorher klar gewesen sein. Immerhin wurden aber rund 200 Maler und Malerinnen gesichtet und besprochen; 100 Ateliers besucht. Und von Ihnen sind nun 53 mit jeweils mehreren Werken zu sehen. Trotz der Vielzahl an Stilen und an Arbeiten macht man eine gewisse Gleichförmigkeit aus. Woher kommt das?

Nur Malerei im klassischen Sinne, also das Tafelbild an der Wand – so die grundlegende Prämisse für die Auswahl der Künstlerinnen und Künstler. Auch auf eine wie auch immer gestaltete äußere Erweiterung der Malerei sollte verzichtet werden, auch um zu erproben welche Möglichkeiten das gemalte Bild vor dem Hintergrund der Digitalisierung heute noch hat, schreiben die Kuratoren. Ziel aller teilnehmenden Museen sei es, einen gültigen Querschnitt durch junge Malerei zu geben, die in den letzten Jahren in Deutschland produziert wurde und dabei alle Erscheinungsformen zu berücksichtigen, ohne konzeptuelle oder ideologische Einschränkungen.

Ich gehe also durch die Ausstellung in Wiesbaden und sehe 164, teils großformatige Arbeiten, die dann auch gleich 15 Räume benötigen. Unter zwei Stunden wird man die Ausstellung nicht sehen können. Nun wird das Gehen und Schauen in einer Ausstellung ein anderes sein, als das der Museumsleute. Die Betrachter werden hier und da Favoriten haben und länger verweilen; Lieblinge herausbilden, sich garantiert ärgern, Humorvolles entdecken oder einfach überspringen. Doch nach dem 15-Räume-Pacours: was war, was bleibt?

Die 1988 in Moskau geborene Anna Nero malt figürliches mit einem Einschlag Richtung Pop-Art. Dabei haben die Bilder durch ihre teilweise strenge geometrische Gliederung einen sehr eigenen Charakter.

Kristina Schuldt malt durcheinander gepuzzelte Teile von großen, schweren Frauen, die zumeist in Bewegung sind. Sie malen, sie rennen, sie marschieren. Auch hier findet sich ein Hauch von Pop-Art, aber auch anderer Stile. Kristina Schuldt ist 1982 in Moskau geboren und lebt und arbeitet in Leipzig.

Auf der Suche nach jungen Malern in Deutschland sind die Ausstellungsmacher von Jetzt! gleichermaßen auf der Suche nach einem möglichst zeitgenössischen Ausdruck in der Malerei und werden fündig bei Simon Modersohn. Modersohn ist in dieser Reihe der Jüngste und einer der Wenigen, die entschieden figürlich und narrativ darstellen. Sein Stil hat etwas Karikatives und Naives, die Bilder sind teilweise bestückt mit Mobiliar aus der Kindheit. Aber zu sehen sind nicht wirklich nette Sachen. Dörfliche oder Vorort-Wohngebiete, der Deutschen liebster Traum vom Eigenheim, bei Modersohn jedoch ein hermetischer Albtraum. Schotterwüsten und Gabionenhölle im Vorgarten und hinter dem Haus (Wie zum Beispiel bei Round Up von 2018). Und der Meerschweinchenkäfig als Ikone? -Nein, der Titel Durststrecke und ein leerer Trinkbehälter lassen Schlimmes ahnen.

Drei von 53 ist natürlich sparsam. Was mir ins Auge fällt beim Rundgang, sind die vielen Gemeinsamkeiten der gezeigten Arbeiten: viel Erforschen der Malerei, viele kunsthistorische Bezüge, noch mehr das Beschäftigen mit und Nachahmen der digitalen Medien, wenn überhaupt Menschen oder gar ein Antlitz – dann maschinen- oder robotergleich, höchstens comic-haft. Belebte oder lebenswerte Räume oder gar Landschaften kommen fast gar nicht vor, und wenn dann nur als Traumbilder, so wie bei Hannes Michanek. Und: Offensichtlich hat es kein Maler, keine Malerin in Deutschland ohne ein langes Studium (mit Meisterklasse) an einer Kunsthochschule in die Auswahl geschafft.

Jetzt! Junge Malerei in Deutschland, 19.9.2019 bis 19.1.2020 im Museum Wiesbaden, Kunstmuseum Bonn, in den Kunstsammlungen Chemnitz-Museum Gunzenhauser und anschließend ab 7. Februar bis 24. Mai in einer Auswahl in den Deichtorhallen Hamburg. Ein Katalog ist bei Hirmer erschienen . http://www.malerei.jetzt