ANNA HERRGOTTS Saint Donna & Georg
Unser Blick hinauf zum Olymp
Die US-amerikanische Popsängerin Madonna und der Schauspieler Georg Clooney, gehören zu den Größten ihrer Art. Sie haben sich in den letzten Jahrzehnten einen festen Platz im Starolymp erarbeitet. Die Welt lag und liegt ihnen zu Füßen. Braucht der Mensch Idole wie diese? Anna Herrgott hat sich intelligent und feinfühlig mit dieser Frage auseinandergesetzt.
Wir schauen hinauf und sehen auf der einen Seite der Glasinstallation die Sängerin Madonna in einer langen schwarzen Robe. Das blonde Haar offen und in der Mitte gescheitelt. Gesicht und Körper sind dem Betrachter frontal zugewandt – fast provokant zur Betrachtung auffordernd. Fordernd auch ihr bestimmender Gestus mit beiden Händen seitlich der Hüften aufgestützt. Sie wird abgebildet, wie ihre Fans und sie sich selbst gerne sehen. Über ihrem blonden Haar ist ein sonnengelber Heiligenschein zu sehen. Ebenso Schauspieler und Werbe-Ikone George Clooney; er ist so abgebildet, wie ihn seine Fans am liebsten sehen – als smarter Mittvierziger. Auch er wendet uns Gesicht und Körper zu und fordert uns charmant auf, ihn zu betrachten.
Brauchen wir etwas, an das wir glauben?
Die Leuchtkasteninstallation SaintDonna und George von Anna Herrgott spielt mit sehr persönlicher Handschrift auf die Analogie von Starkult und Religion an. Kommen wir nicht durch die verschiedenen Ersatzgötzen dem Glaubensgefühl mittelalterlicher Menschen recht nahe? Wir glauben an die Macht des Geldes, wir glauben an die fast unendliche Steigerungspotenz der menschlichen Kraft oder vertrauen der Werbeindustrie, die uns so vieles Glauben machen möchte, dass es bei genauerem Hinsehen zuweilen vernünftiger erscheint, die Geschichte Christi in all ihren Details zu glauben. Nachdenklich machen müssten uns auch die bekannten aktuellen „Glaubenskriege“ und der religiöse Fanatismus, nicht nur im mittleren Osten. Abgesehen von unserer heimlichen Suche nach dem großen Vorbild, jenseits jeglicher Konfessionen.
Die Suche nach den heiligen Vorbildern
Seit Menschengedenken suchen Gläubige nach dem Licht der Erkenntnis oder nach jenen, die Erleuchtung schon erfahren haben. Im Mittelalter fanden sich diese Lichtgestalten in den Heiligen, deren Ausnahmestatus dadurch erklärt wurde, dass sie durch die Erkenntnis Gottes Wunder erleben und tun konnten. Die Heiligen waren menschliche Stellvertreter der christlichen Idee und hatten eine bedeutende pädagogische Vorbild-Funktion. Die mittelalterliche Kunst kommt ohne sie als Protagonisten gar nicht aus. Weibliche Heilige wurden zu „Holden Frauen“ erhöht und in der Literatur entwickelte sich parallel zur Minnelyrik die Marienlyrik.
Die Moderne sucht nach der Göttlichkeit im Diesseits
Hierzu entwickelte die Show- und Werbeindustrie ein Patent: Die Welt der Superstars. Spätestens seit dem Aufstreben der Filmindustrie der 1920er Jahre formte Hollywood aus Menschen Ikonen. Jene Ersatzheilige, die in unserer Zeit eine bedeutsame gesellschaftliche Rolle übernehmen. Und so wurden aus Schauspielerinnen Leinwandgöttinnen. Man schuf sich einen Himmel der Eitelkeiten, voller „gottgleicher“ Instanzen, welcher bis heute kaum verändert wurde. Fernseh- und Kinostars werden durch Filme, Musikclips und Zeitungsartikeln zu Leitbildern, wie einst die Heiligen durch die Legendensammlungen. Aus Kultur entsteht ein Kult, welcher sich verselbstständigt und von der Industrie finanziell genutzt wird.
Anna Herrgott gelingt mit ihrer Arbeit eine faszinierende Charakterisierung der beiden Superstars. So ist die in Wiesbaden gezeigte Glas-Installation SaintDonna und George nicht nur eine Reminiszenz an alte Kirchenfenster, sondern überzeugende Symbiose von Heiligenbild und Starportrait. Und in der Tat: Wie zwei Heilige schauen Madonna und George Clooney auf uns hinab und der Betrachter zu ihnen auf.
Die Ausstellung findet vom 2. September bis zum 30. Oktober 2012 in der St. Mauritius Kirche in Wiesbaden statt.
Glasarbeiten von ANNA HERRGOTT
courtesy GALERIE SYLVIA BERNHARDT
Vernissage, Sonntag, 2. September 2012, 10.30 h
Abeggstr. 37
65193 WIESBADEN
Redaktion: Nathalie Höcke-Groenewegen und Regina Liebermann
Dr. Nathalie Höcke-Groenewegen ist Kunsthistorikerin und Kuratorin der DWS- Kunstsammlung in Frankfurt am Main
Fotos: Anna Herrgott
atomixy
November 21, 2012
Das war eine echt popsakrale Ausstellung. Danke dafür! Wann geht’s weiter? Bitte früh genug ankündigen. Rolfo