Blüten? Im Frühling? Revolutionär!

Posted on April 13, 2018

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„Blüten? Im Frühling? Revolutionär!“ Im Film Der Teufel trägt Prada kommentiert die Verlagsleiterin Miranda Priestly (gespielt von Meryl Streep) süffisant die Vorschläge ihrer Redakteurin. Zu ähnlichen Gedanken könnte der Leser oder Kunstsammler beim Betrachten der Malerei von Tatiana Urban kommen. Darum haben wir uns mit der Schöpferin dieser hochästhetischen Gebilde auf Leinwand einmal näher befasst und während des Schaffensprozesses im Atelier nach Motiven und Beweggründen gefragt.

c.art Auf Deinen Bildern ist viel Natur zu sehen. Inspiriert Dich vor allem die Natur zur Kunst?

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T.U. Es ist das, was ich sehe. Dabei ist die Natur mein Hauptthema. Natur ist ja überall, auch in der Stadt. Aber es ist nicht nur die Natur. Alles, was um mich herum passiert, mache ich zum Thema in meinen Bildern.

Mich inspirieren aber auch wissenschaftliche Texte. Ich habe mich intensiv mit Biologie beschäftigt. Naturphilosophie war das Thema meiner Diplomarbeit. Ich habe einen Faible dafür, wie vielfältig die Natur ist; was Pflanzen für unglaubliche Wesen sind; wie sie über Pflanzenhormone miteinander kommunizieren, wie sie überhaupt existieren. Was brauchen Sie zum Leben? Es gibt Bücher über Pflanzen, die sind teilweise wie Romane geschrieben, über Orchideen zum Beispiel. …Ich lese alte Bücher aus den fünfziger, sechziger Jahren. Die Sprache in der Literatur zum Beispiel war nicht so nüchtern, wie heute.

c.art Man sieht im Frühjahr überall Blumen. In der Mode sind florale Muster gerade ein Megatrend. Muss Kunst immer im Trend liegen?

T.U. Nein. Ich mache das ja schon länger…

Ich baue die Pflanzen selbst. Ich schöpfe sie. Die Pflanzen auf meinen Bildern haben ja nicht immer reale Vorbilder. Sie sind verändert. Man kann nichts anderes malen, als in der Zeit, in der man lebt. Ich arbeite aus der Farbe heraus und dann entstehen Geschöpfe und Pflanzen, die so ähnlich aussehen wie Palmenblätter oder Bromelien, die man kennt.

c.art Es geht also nicht um oberflächliche Schönheit?

T.U. Es ist nicht wichtig eine Abbildung zu schaffen. Es passiert ja viel mehr als das, was wir sehen. Ich möchte also auch Nicht-Sichtbares sichtbar machen in meinen Bildern. Farben und Formen mit einem zeitgenössischen Blick auf die Leinwand bringen.

In meinen Bildern geht es eher um Metamorphosen, auch um die Verbindung von Artefakten oder Artifiziellem mit natürlichen Prozessen. Es ist in jedem Bild ein Aspekt der stört. In Illumination oder Strahlende Nacht ist der künstliche Aspekt in der Natur mit einbezogen, eine Form von Verletzlichkeit der Natur.

Es geht nicht um die heile Welt und die Harmonie. Auch Zerstörung und Zerfall sind thematisiert. Künstliche Elemente stören die heile Welt. Eine heile Welt gibt es einfach nicht.

c.art Also kein Trend. Dann ist Deine Kunst zeitneutral?

T.U. Auf den Trend hinzuarbeiten ist Quatsch. Baselitz war gar nicht im Trend. Er hat einfach sein Thema verfolgt. Dann ist man einfach im Trend oder eben nicht. Sonst ist man doch nur ein Epigone und nie authentisch. Man muss sein Thema verfolgen und hoffen, dass es trotzdem funktioniert.

c.art Aber Du hast Dein Thema gefunden. Wie?

T.U. Fünf Jahre habe ich Schutzanzüge ganz akribisch gemalt.  Da war der Inhalt im Vordergrund. Jetzt ist das Malen im Vordergrund. Farben, Form und Inhalt muss ich in Einklang bringen. Ich beginne und weiß nicht, wo und wann es (das Bild) endet.

c.art Ein Künstler sollte auch sein Handwerk beherrschen, wie siehst Du das?

T.U. Hach, wenn ein Bild gut geworden ist, dann heißt es nicht, dass das nächste wieder so wird. Wenn ich ein Palmenblatt gemalt habe, dann ist man versucht, das gleiche wieder zu malen, weil es so gut gelungen ist. Aber darum geht es nicht. Jedes Bild ist ein Neuanfang.

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Das Wilde und das Geordnete sind verschiedene Aspekte, die eine Rolle spielen. In jedem Bild möchte ich Natur neu darstellen.

c.art Ist es dann auch malerisch wieder anders?

T.U. Teilweise ist die Natur ja auch zurechtgestutzt. Ausgeschnitten aus der natürlichen Umgebung. Es geht nicht darum, dass jedes Bild im gleichen Stile gemalt ist, sondern dass da inhaltlich was rüberkommt oder auch ein Gefühl…

Meine Pflanzen haben eine eigene Persönlichkeit. Ich glaube, dass die das auch in der Realität haben. Dass sie miteinander kommunizieren. Pflanzen bewegen sich nicht in unserer Geschwindigkeit sondern im Zeitraffer. Es gibt so viele Fragen, die noch nicht beantwortet sind. Unser Leben ist so durchreguliert und abgesteckt. Da ist es wohltuend auch mal etwas offen zu lassen…

Das Interview führte Sylvia Bernhardt, Redaktion Regina Liebermann

Posted in: Exhibitions